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Der Verlust von Biodiversität hat ökonomische Folgen

Jonathan Gerlach
31. Mai 2023
10 Minuten
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Add-on Fellow und Agrarökonom Dr. Arndt Feuerbacher im Interview zu Kosten und Nutzen biodiversitätsfreundlicher Agrarpolitik und der Wichtigkeit transdisziplinärer Forschung für die praktische Anwendung.

An der Universität Hohenheim in Stuttgart forscht Feuerbacher transdisziplinär zu drängenden agrarökonomischen Fragestellungen wie dem Rückgang der Biodiversität.

Herr Feuerbacher, viele Konsumenten wären mittlerweile bereit, ihre Kaufentscheidungen im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz zu treffen. Warum reguliert der Markt nicht alles zum Guten?

Der Markt schließt viele Güter und Dienstleistungen aus, die nicht gehandelt werden, für die also niemand etwas direkt bezahlt und für die dadurch auch keine Preise bekannt sind. Darunter sind einige absolut elementar, werden aber als selbstverständlich und unentgeltlich wahrgenommen, wie zum Beispiel saubere Luft zum Atmen oder intakte Ökosysteme. Wir Ökonomen sprechen von externen Effekten oder Kosten, wenn eine wirtschaftliche Aktivität Kosten verursacht, z.B. durch Luftverschmutzung, die nicht vom Verursacher getragen werden. Da der Markt in diesem Fall versagt, müssen diese externen Kosten internalisiert werden. Dies geschieht, indem die Schäden bepreist werden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die CO2-Steuer. Erst dann können die Umweltkosten in den Produktions- und Konsumentscheidungen berücksichtigt werden.

In Ihren Forschungen geht es um ein anderes drängendes Umweltthema – Biodiversität.

Für viele war es ein Schock, als 2017 die sogenannte „Krefelder Studie“ erschien. Sie zeigte, dass innerhalb der letzten 30 Jahre die Insektenbiomasse in Naturschutzgebieten um 75% zurückgegangen ist. Das bleibt natürlich nicht folgenlos für Ökosystemleistungen, wie wir die Dienstleistungen der Natur für uns Menschen nennen. Ich erforsche, welche Effekte der Verlust von Biodiversität auf die Landwirtschaft hat und welche ökonomischen Folgen sich daraus ergeben. Ebenso beschäftige ich mich mit den Kosten und Nutzen von biodiversitätsfreundlicher Agrarpolitik. Oftmals werden dabei nur die Kosten der Maßnahmen quantifiziert, was keine gute Grundlage für Politikempfehlungen ist.

Wo besteht der Zusammenhang zwischen der Vielfalt und Anzahl von Organismen und den Erträgen der Landwirtinnen und Landwirte?

Ein sehr prominentes und auch gut erforschtes Beispiel hierfür sind die Ökosystemleistungen von Bestäubern – dazu gehören Nutztiere wie die von Menschen gehaltene Honigbiene, aber auch viele wild lebende Bestäuber. In Deutschland zählen wir alleine etwa 600 verschiedene Wildbienenarten. Für die Produktion vieler Kulturen, insbesondere bei Ölsaaten, Gemüse, Obst und Nüssen, besteht eine Abhängigkeit von durch Insekten geleistete Bestäubung. Insekten sind aber auch für viele andere Ökosystemleistungen relevant wie Bodenfruchtbarkeit und Schädlingskontrolle.

Wenn Biodiversität so wichtig ist, wie können wir sie bewahren?

Durch den Erhalt und die Vernetzung von Lebensräumen. Dies können wir durch kleinstrukturierte Landschaften erreichen, die durch kleine Feldgrößen, Hecken, Bäume und andere Landschaftselemente charakterisiert sind.

Lassen sich solche komplexen Zusammenhänge von Ökologie und Ökonomie – wie in Ihren Forschungen – überhaupt nur mit interdisziplinären Ansätzen entschlüsseln?

Es geht ja mittlerweile nicht mehr nur darum zu entschlüsseln, sondern Lösungen zu finden. Deshalb würde ich sogar noch weiter gehen und von der Notwendigkeit transdisziplinärer Forschung sprechen. Dabei handelt es sich um das gemeinsame methodische Vorgehen von wissenschaftlichem und praktischem Wissen. Gerade in meinem Forschungsbereich komme ich nicht weit ohne die Einbeziehung von Praxisakteuren, sprich Landwirtinnen und Landwirten, sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Ergebnisse sollen sich ja letztlich in die Praxis überführen und dort anwenden lassen.

Insekten erfüllen wichtige Ökosystemleistungen. Laut Feuerbacher würde „die Apfelernte ohne tierische Bestäubung um etwa zwei Drittel geringer ausfallen“.

Kürzlich haben Sie eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für eine Nachwuchsgruppe eingeworben. Geht es dabei um einen transdisziplinären Ansatz?

Ja, wir sind sehr froh darüber, dass das BMBF eine sozialökologische Nachwuchsforschungsgruppe zum Thema Biodiversität fördern wird, die wir an der Universität Hohenheim gemeinsam mit dem Fachbereich Naturschutz und Landschaftsökologie der Universität Freiburg durchführen werden. Bei diesem Projekt geht es um biodiversitätsfreundliche Landnutzungs- und Ernährungssysteme, innerhalb deren wir mit Praxisakteuren konkrete Maßnahmen formulieren können. Und damit handelt es sich um ein inter- und transdisziplinäres Projekt.

Das Add-on Fellowship der Joachim Herz Stiftung machen Sie mitverantwortlich dafür, dass Sie diesen akademischen Förderantrag überhaupt gestellt haben. Wie hängt das zusammen?

Das Fellowship der Joachim Herz Stiftung war für mich ein Signal von außen, wie relevant die Themen sind, an denen ich forsche. So ein Feedback ist für uns Wissenschaftler in vielerlei Hinsicht wichtig. Der Erfolg zeigt, dass sich der enorme Zeitaufwand lohnen kann, der mit einem Förderantrag verbunden ist. Hat es einmal geklappt, steigt die Bereitschaft, erneut ins Risiko zu gehen. Und natürlich stärkt das auch das Selbstbewusstsein.

Hier geht's zum vollständigen Interview.

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